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Literatur

Versuchs­anordnung, Ausradierung oder Palimpsest
Versuchs­anordnung, Ausradierung oder Palimpsest

Marie Glassl (Hg.)

Bildbeschreibung

Bitte beschreiben Sie ein Bild innerer oder äußerer Verwüstung, deren Gründe außerhalb des Rahmens bleiben, richten Sie den Blick auf die Darstellung einer zerstörten Landschaft, deren beobachtende Freilegung eine neue Vision lebbarer Zukunft grundieren kann. Als Tempus wählen Sie bitte das Präsens. Ihr Text kann vieles sein: Versuchs­anordnung, Ausradierung oder Palimpsest, Ikonographie eines Verschwindens, erzählerische Übermalung, archäologische Sondierung oder die Halluzination eines noch unsichtbaren Jenseits.   Please describe a picture of internal or external devastation, the reasons and origins of which remain...
Aktuelle Texte

Johannes Binotto

Der Zähmung widersprechen

Von der Zähmung zu sprechen und ihr zu widersprechen muss damit anfangen, das Wort selbst zum Reden zu bringen. »Zahm« – der rätselhafte Ausdruck geht auf dieselben sprachgeschichtlichen Wurzeln zurück wie die Wörter »Damm« und »Zimmer«. Das Zähmen, so macht die Etymologie damit bereits klar, ist ein Akt der Eindämmung, des Abscheidens und der Einpassung. Was einmal gezähmt wurde, hat seither einen klar begrenzten Ort, seine eigene Kammer, in die es fortan nicht einmal mehr eingesperrt werden muss, weil es das Zimmer in Form seiner Zähmung dauernd mit sich herumträgt. Der zahme Bär an der Leine des Schaustellers, wie man ihn noch Anfang des 20. Jahrhunderts auf den Jahrmärkten vorführte, schien zwar auf dem offenen Dorfplatz zu stehen, steckte dabei aber doch eigentlich im grausamen Käfig seines Dompteurs, den dieser ebenso eng wie unsichtbar um ihn gezimmert hatte.

Noch suggestiver ist da das Französische, wo man das zahme Tier »animal privé«...

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Ist das Drama k.o.? Ist das Theater k.o.?

Alexander García Düttmann

Ist das Drama k.o.? Ist das Theater k.o.?

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Dietmar Dath

Im Schlaf sieht Patrick, was er wach nicht glaubt.

Im Schlaf sieht Patrick, was er wach nicht glaubt:

Das Verzeichnis rechnet alles an. Ankündigungen von Belohnung, meist unwahr, leuchten auf und sterben. Der dopaminergische Haushalt ernährt die Liste. Limbische Strukturen tragen sie. Hirn heißt Haus, hat angeblich Fenster.

Es sind aber Langzeitbilder der Vergangenheit.

 

Sechs Minuten nach vier Uhr früh wacht Patrick von einem Störgeräusch auf.

Er liegt im kleinen Zimmer. Renate schläft im großen.

»Vielleicht hab’ ich nachts ’ne Idee«, hat er ihr

seinen Umzug auf die Couch erklärt, »die muss ich denen dann schicken. Wir reichen das Ding übermorgen ein.« Er fürchtet sich davor, im Schlaf zu sagen, was er von Kerstin weiß, wenn er neben Renate liegt. Im Dunkeln spürt er, dass der Raum ihn anbrummt. Das Hirn gibt dem Brummen Antwort, singt Zucker und Proteine, spricht perineurales Geflecht, das Herausbildung und Funktion der Synapsen kontrolliert, die alle zwischenzelluläre Kommunikation der Neuronen steuern.

Patrick fröstelt von den Füßen her.

Er möchte bei Renate bleiben,...

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Ein Roadtrip ohne Road

Mário Gomes

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Axel Dielmann

»Können Sie sich so etwas vorstellen?«

Wahrscheinlich mussten die Kuratoren fürchten, jemand stolperte über die Stufen beim Blick an ihre Wände, unachtsam vom Bilderansehen – kann es sein, dass ich eben unten an dem ersten Objekt der Ausstellung einfach vorbeigegangen bin? Nummer 1, »Schleier ohne Form. Vorhang…«. Muss an der Wand direkt zwischen Eingang und Abgang… »Lieber Herr Kollege…!«, und Aufgang angebracht gewesen sein, »… Vorhang. Höhe 310 cm, Breite 475 cm«, ich müsste das doch vom letzten Gangabschnitt her schon gesehen haben, wandhohes Ding. Was ich hier übersehe, geht mir durch den Kopf, wäre das Wesentliche. Was noch die schlichteste Form von Analyse ist. Eigentlich müsste ich, weiß ich, zurückgehen im sacht aufsteigenden Wendelstein. Aber er ist zu Ende, vor mir öffnet sich entlang einer letzten flachen Stufe das Anatomische Theater. Licht.

Dem rechteckigen Raum eingeschrieben ist das Oval einer hölzernen, braun glänzenden Balustrade, von der aus sieht man nach unten. Irgendwo wird hier geflüstert. In drei enger...

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»Stilbildend. Ein Meister seines Genres.«
»Stilbildend. Ein Meister seines Genres.«

Joseph Mitchell

Schleppnetzfischer

Mit dem Netz zieht man jede Menge komisches Zeug raus. Einmal war sogar ein Eimer mit Schiffsfarbe dabei, ein Zwanzig-Liter-Eimer mit Schlachtschifffarbe von der U.S. Navy. Wir stemmten den Deckel auf, und ich sah sofort, dass die Farbe vollkommen in Ordnung war. Vermutlich hatte sie einem Matrosen plötzlich nicht mehr gefallen und er schmiss den Eimer über Bord. Wir haben sie dann für die Eleanor verwendet. Ein anderes Mal hatte ich ein rosa Spitzenkleidchen im Netz. Wahrscheinlich hatte sich im...
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