In perfekt sitzender Uniform, die Hakenkreuzbinde frisch aufgebügelt, stehe ich in einer langen Schlange in einer amerikanischen Behörde, um einen Antrag auf einen total war zu stellen, doch nach stundenlangem Schlangestehen teilt mir der freundliche Sachbearbeiter mit, dass das application form for foreign aggressions im Saal nebenan zu erbitten sei. Da ich ein depressiver Faschist bin, lasse ich trotz meiner feschen braunen Uniform den Kopf immer recht schnell hängen und beschließe daher, für heute Schluss und lieber erst morgen den nächsten Versuch zu machen. Am nächsten Morgen stehe ich so auch tatsächlich wacker in der richtigen Schlange, habe dann aber nicht alle Papiere zusammen, um ordnungsgemäß einen total war zu beantragen. Neben der Geburtsurkunde (Original, keine Kopie!) fehlen mir zwei weitere Empfehlungsschreiben amerikanischer Staatsbürger. Man braucht fünf. Aber – ich dachte, drei… Nein, fünf insgesamt! Lächelnd hebt die Sachbearbeiterin ihre rechte Hand, die Finger anschaulich gespreizt. Wo ich doch aber schon...
Wahrscheinlich mussten die Kuratoren fürchten, jemand stolperte über die Stufen beim Blick an ihre Wände, unachtsam vom Bilderansehen – kann es sein, dass ich eben unten an dem ersten Objekt der Ausstellung einfach vorbeigegangen bin? Nummer 1, »Schleier ohne Form. Vorhang…«. Muss an der Wand direkt zwischen Eingang und Abgang… »Lieber Herr Kollege…!«, und Aufgang angebracht gewesen sein, »… Vorhang. Höhe 310 cm, Breite 475 cm«, ich müsste das doch vom letzten Gangabschnitt her schon gesehen haben, wandhohes Ding. Was ich hier übersehe, geht mir durch den Kopf, wäre das Wesentliche. Was noch die schlichteste Form von Analyse ist. Eigentlich müsste ich, weiß ich, zurückgehen im sacht aufsteigenden Wendelstein. Aber er ist zu Ende, vor mir öffnet sich entlang einer letzten flachen Stufe das Anatomische Theater. Licht.
Dem rechteckigen Raum eingeschrieben ist das Oval einer hölzernen, braun glänzenden Balustrade, von der aus sieht man nach unten. Irgendwo wird hier geflüstert. In drei enger...
»So viele Egoisten nennen sich selbst Autoren«, schrieb Rimbaud am 15. Mai 1871 an Paul Demeny. Auch wenn es nicht immer offensichtlich scheint, ist »Ich«, die erste Person, zugleich die unbekannteste Person, ein Geheimnis, das sich ständig auf die anderen beiden, die zweite und die dritte Person, zubewegt, eine Reihe von Entfaltungen und Brüchen, die irgendwann zu »Je est un autre« verklumpte. Deshalb ist »apokryph« ein literarisch irrelevanter Begriff und »pseudo« ein Symptom, der schlagende Beweis, dass das Leben, das Schreiben, aus Echos besteht, was wiederum bedeutet, dass Einschaltungen und Diebstähle (auch dies spricht Borges an) stets das täglich Brot derjenigen sein werden, die schreiben.
Die Worte anderer, entstellte und verstümmelte Worte: Sie sind die Almosen der Zeit, die einzige Wohltat dieses Verschwenders. Und so viele andere, zumeist andere, die schrieben, und viele andere Seiten, allesamt apokryph, allesamt Echos, Spiegelungen. All dies fließt in den letzten Worten zusammen, die – zwei...