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Stephan Kammer: 1726
1726
(S. 533 – 547)

Stephan Kammer

1726
»Homo diluvii testis«. Johann Jakob Scheuchzers doppelte Erfindung einer Naturgeschichte der Sintflut

PDF, 15 Seiten

Unter dem Regime eines rhetorisch-enzyklopädischen Wissensmodells gilt weniger das Neue als vielmehr das Situations- beziehungsweise Sachgerechte als Ziel von Inventionsprozessen. Und so bemüht sich der Schweizer Arzt und Naturforscher Johann Jacob Scheuchzer (1672–1733) darum, ein überzeugenderes Erklärungsmodell für die sogenannten ›Figurensteine‹ – in heutiger Terminologie: Fossilien – zu finden als das einer gelegentlich zweck- und vernunftfrei spielenden Natur. Fündig wird er in der biblischen Schöpfungsgeschichte: Die Petrefakte sind Sachzeugen des Sintflutgeschehens, die das Textzeugnis der Genesis komplementieren und stützen. Der Effekt dieser Invention besteht erstaunlicherweise weniger in einer (Re-)Theologisierung als vielmehr in der ersten systematischen Historisierung der Natur.

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Stephan Kammer

Stephan Kammer

ist Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen die deutschsprachigen Literaturen des 17. bis 21. Jahrhunderts im medialen Kontext, die Literatur- und Wissensgeschichte der Schrift, des Schreibens und der Philologie sowie Theorie und Geschichte der Künstlichkeit. Derzeit arbeitet er an einer Monographie zur narrativen und kulturellen Logik von Gottfried Kellers Festdarstellungen und -reflexion.

Weitere Texte von Stephan Kammer bei DIAPHANES
Sandro Zanetti (Hg.): Improvisation und Invention

Wenn eine Kultur etwas als Erfindung akzeptiert, dann hat dieses Etwas bereits den Status einer Tatsache erhalten, die vorhanden ist und auf ihren Nutzen oder auf ihre Funktion hin befragt werden kann. Was aber geschieht davor? Wie gewinnt das Erfundene Wirklichkeit? Wie in der Kunst, wie im Theater, wie in der Literatur und Musik, wie in der Wissenschaft? Und mit welchen Folgen? Die Beiträge in diesem Band beschäftigen sich alle mit einem Moment oder einem bestimmten Modell der Invention. Ausgehend von den jeweils involvierten Medien wird der Versuch unternommen, diese Momente und Modelle zu rekonstruieren. Um etwas über die entsprechenden Inventionen in Erfahrung bringen zu können, werden diese als Ergebnisse oder Effekte von Improvisationsprozessen begriffen: Improvisationen in dem Sinne, dass von einem grundsätzlich offenen Zukunftsspielraum ausgegangen wird, gleichzeitig aber auch davon, dass es ein Umgebungs- und Verfahrenswissen gibt, das im Einzelfall beschrieben werden kann.

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