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Heike Delitz: Gesellschaften der Hütten (sociétés à maisons)
Gesellschaften der Hütten (sociétés à maisons)
(S. 103 – 128)

Heike Delitz

Gesellschaften der Hütten (sociétés à maisons)

PDF, 26 Seiten

Die Soziologin und Architektin Heike Delitz erinnert daran, dass die Hütte im europäischen Architekturdiskurs eine ambivalente, doppelte Bedeutung innehat, insofern sie in der Tradition von Marc-Antoine Laugiers und Gottfried Sempers ›Urhütte‹ einerseits als Symbol und Ursprung der europäischen Architektur schlechthin gewertet wird, und andererseits als deren Gegenteil, nämlich als Nicht-Architektur und Ausdruck einer primitiven Kultur verstanden wird. Mithilfe der strukturalen Anthropologie eröffnet der Beitrag stattdessen eine andere Perspektive, indem er den Blick ausdrücklich auf die architektonischen Kulturen außereuropäischer Gesellschaften richtet und deren Positivität befragt, d.h. sie als ›architektonischen Modus der kollektiven Existenz‹ begreift. Die Baukultur geht mit ›Gesellschaftseffekten‹ einher, und sie reagiert zugleich auf spezifische Umgebungsbedingungen. Physische Dauer ist kein Kriterium, wenn die Materialien aufgrund der Umgebungsbedingungen innerhalb von wenigen Jahren verfallen, der Materialstrom also stark beschleunigt ist (wie bei den Hütten der Achuar im tropischen Regenwald Südamerikas). Das Bleibende wird von der Hütten-Architektur temporär manifestiert und durch die kollektive Wiederholung der Errichtung als gebaute wie gelebte Struktur tradiert.

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Heike Delitz

ist Soziologin und ausgebildete Architektin. Sie lehrt soziologische Theorie an den Universitäten Bamberg und Mainz (2021-2023), sowie im Studiengang Public Interest Design der Universität Wuppertal. Sie erforscht differente »architektonische Modi kollektiver Existenz« und deren historische und aktuelle Transformationen, arbeitet an soziologischen Theorien von Gesellschaft und Subjekt, von Imaginärem und Symbolischen sowie an einer kulturvergleichenden Methodologie im Sinne einer Dekolonisierung des soziologischen Denkens.
Karin Krauthausen (Hg.), Rebekka Ladewig (Hg.): Modell Hütte

Die Hütte wird gemeinhin als spontanes und vorläufiges Gebilde verstanden, als eine Improvisation im Außenraum, aus arbiträrem Material gefügt und mit einem klaren Ziel: schnell und mit vorhandenen Mitteln einen abgetrennten Bereich zu konstituieren. So verstanden faltet die Praxis der Hütte den Raum, sie erstellt gewissermaßen eine Tasche oder eine Abteilung in ihm und ermöglicht auf diesem Weg ein relatives Innen in Differenz zu einem Außen. Eine solche temporäre Faltung des Raums kann vielfältige Funktionen haben und etwa als Unterstand, Obdach, Versteck, Lager oder Zuflucht dienen. In jedem Fall wird der Bau nur selten planvoll konstruiert. Die Hütte gründet auf einer kreativen Praxis, die nicht als solche wahrgenommen wird. In der Konsequenz bildet die Hütte keine eigene Kategorie und ist gerade darin beispielhaft: Sie liefert das Modell für die spontane Emergenz von Strukturen, die in der Folge entweder vergehen und damit ephemer bleiben oder aber eine eigene Geschichte in Natur und Kultur begründen. Dieses weit über die Architektur hinausreichende ›Modell Hütte‹ erschließen die geistes- und naturwissenschaftlichen sowie gestalterischen Beiträge des Bandes über eine Vielfalt von Diskursen, u.a. zu Wohnen in the making, Prekäre Räume, Technik des Ephemeren, Kulturelle Urszene, Erweiterte Physiologie sowie Haut und Sein.

 

Mit Beiträgen von Michel Agier, Emily Brownell, Michael Cuntz, Heike Delitz, Elmgreen & Dragset, Michael Friedman, Finn Geipel & Sabine Hansmann, Ulrike Haß, Inge Hinterwaldner, Tim Ingold, Susanne Jany & Khashayar Razghandi, Stephan Kammer, Joachim Krausse, Karin Krauthausen, Rebekka Ladewig, Stephan Pinkau, Luca Rendina, Kathrin Röggla, Anna Roethe, Samo Tomšič, Felicity Scott, J. Scott Turner.

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