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Gesine Müller: Vom Hunger nach Guaven und Goethe. Literatur als LebensMittel in der kolonialen Karibik
Vom Hunger nach Guaven und Goethe. Literatur als LebensMittel in der kolonialen Karibik
(S. 91 – 101)

Gesine Müller

Vom Hunger nach Guaven und Goethe. Literatur als LebensMittel in der kolonialen Karibik

PDF, 11 Seiten

»Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühen?« Diese Zeilen Goethes aus seinem »Mignon« übernimmt der haitianische Autor Emeric Bergeaud wörtlich und stellt sie an den Anfang seines Romans Stella, den Gründungstext der jungen haitianischen Nation aus dem Jahre 1859. Tropische Früchte und kulinarische Sinneserweiterungen galten als Höhepunkte exotistischer Inszenierung in Texten der kolonialen Karibik. Die genussvoll inszenierte Nahrungsaufnahme, die unabdingbar mit dem fruchtbaren Boden der Neuen Welt zusammenhängt, bildet eine Seite der ästhetischen Kategorie des Geschmacks, die symptomatisch ist für koloniale Literaturen in tropischen Gefilden.
Der umgekehrte Exotismus findet sich im Leseverhalten der Protagonisten: Darin stehen blonde und blauäugige Schönheiten am Fenster der Herrenhäuser von Zuckerplantagen und lesen, oft in Tränen aufgelöst, Klassiker der europäischen Romantik: Chateaubriand, Lamartine, Byron oder bisweilen auch Goethe. Literatur als LebensMittel wird auf zwei Ebenen inszeniert. Welches Potential hat Literatur als LebensMittel in spezifisch kolonialen Konstellationen?
 

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Gesine Müller

ist Leiterin der Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe (DFG) »Transkoloniale Karibik« am Institut für Romanistik der Universität Potsdam. Aktuell vertritt sie die Professur für Romanistische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Technischen Universität Dresden. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Lateinamerikanische Gegenwartsliteraturen, Literaturen der französischen und spanischen Romantik sowie Kulturtransferstudien.

Ottmar Ette (Hg.), Veronika Sellier (Hg.), ...: LebensMittel

In welchem Sinne sind die Künste, sind die Literaturen der Welt Mittel zum Leben im Leben, aber auch Mittel und Medien des Lebens selbst? Kein Zweifel: Literatur bzw. Kunst ist, weil sie mehr ist, als sie ist. Aber muss man dann nicht auch die Frage stellen: Was sie isst? Ist sie denn nicht, was sie isst? Was wäre die Literatur, was wäre die Kunst ohne das, was sie sich auf philosophischer, literarisch-intertextueller, naturgeschichtlicher oder naturwissenschaftlicher Ebene einverleibt, ja in sich hineinstopft? Ein verschiedenste Disziplinen querender Polylog unterschiedlicher Bereiche von Lebenswissen sucht den Weg für neue transdisziplinäre Forschungsfelder zu eröffnen. Die Grundsubstanz Nahrung als elementare Schnittstelle zwischen Kultur und Leben soll zur existentiellen Mitte des Lebens gelangen.

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