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Stefan Rieger: Epistemische Selbstläufer
Epistemische Selbstläufer
(S. 155 – 175)

Zur Ökonomie der Wissenschaft

Stefan Rieger

Epistemische Selbstläufer
Zur Ökonomie der Wissenschaft

PDF, 21 Seiten

Stefan Rieger stellt anhand einer Reihe von »epistemischen Selbstläufern« aus der Wissenschaftsgeschichte der experimentellen Phonetik und Physiologie des 19. und 20. Jahrhundert die Frage nach einer historischen Metawissenschaft der Wissenschaft, die mit ihren Formen der Selbstdarstellung, mit ihren heroischen und teleologischen public relations einen Betrieb abschirmt, wo oft vollendet sinnlose, vom Zufall diktierte Verfahren und Techniken den Gang der Dinge mitbestimmen. Der Bogen, der gespannt wird, reicht von der Selbstdarstellung des heldenhaften Pioniers wie Thomas Alva Edison bis hin zu zeitgenössischen Experimenten, die nur noch rechnergestützt (selbst-)laufen. Die Wissenschaftsgeschichte kennt Unternehmungen wie die des Physiologen Robert Tigerstedt, der mit immer aufwändigeren, ins Leere laufenden Verfahren das Überleben von Organen außerhalb ihrer natürlichen Umgebung erforschte. Solche Versuchsreihen zeigen auch als Extremfall, wie Wissenschaft in ihrer Eigenlogik blind werden und den Kontakt mit ihrem Erkenntnisauftrag verlieren kann. Es ist aber eine überfällige Aufgabe der Forschung, an zahlreichen Beispielen die Leerlaufdynamik als eine der effektivsten Kräfte in der Wissenschaft der Moderne zu beschreiben.

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Deutsch

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Stefan Rieger

ist seit 2007 Professor für Mediengeschichte und Kommunikationstheorie an der Ruhr-Universität Bochum. Er war Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich »Literatur und Anthropologie« in Konstanz und Heisenbergstipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft, hat über Datenverarbeitung und Mnemotechnik im Barock promoviert und eine Habilitationsschrift zum Verhältnis von Medien und Anthropologie verfasst. Seine Arbeits- und Publikationsschwerpunkte sind Wissenschaftsgeschichte, Medientheorie und Kulturtechniken.

Weitere Texte von Stefan Rieger bei DIAPHANES
Stefan Rieger (Hg.), Manfred Schneider (Hg.): Selbstläufer / Leerläufer

Das 20. Jahrhundert steht im Zeichen der Regelung und ihrer Versprechen. Ob im Realen der Technik oder im Imaginären der Kultur, sie lässt kaum einen Bereich der Lebenswelt unberührt. Doch neben einfachen Formen geglückter Betriebsamkeit und neben reibungslosen Abläufen gibt es Fälle, die aus der Regelungsnormalität ausscheren – dann etwa, wenn sich Dinge ohne energetischen Aufwand verselbständigen oder ohne Bezug auf eine Referenz leerlaufen. Selbstläufer und Leerläufer sind somit nicht selten spektakuläre Einbrüche in der Ökonomie der Regelung. Gerade Selbstläufer und Leerläufer können den Status der kybernetischen Vernunft veranschaulichen. Das große Versprechen, das seit dem 20. Jahrhundert auf dem Regelungsparadigma wie eine Hypothek lastet, scheint immer weniger einlösbar. Die aktuellen Krisen bei Individuen und Banken, bei Autobauern und ganzen Volkswirtschaften machen deutlich, wie prekär es um die vermeintliche Synonymie von Vernunft und Regelung steht.