Auch jenseits der Vereinnahmung für die Fundamentalontologie steht Kant im Zentrum der Fragen, die die Philosophie im Zusammenhang mit dem Allgemeinen umtreiben. Die jährlich stattfindenden Versammlungen Deutscher Naturforscher und Ärzte, die so etwas wie die Urform wissenschaftlicher Kongresse darstellen, sahen seit der von Alexander von Humboldt organisierten Berliner Versammlung von 1828 eine Trennung in allgemeine und spezielle Sektionen vor. Die Vorträge in den ersteren sollten von übergeordnetem Interesse sein, aber nicht in der heutzutage typischerweise gepflegten Art, dass ein für alle interessantes Thema in übersichtlicher Manier vorgestellt würde. Vielmehr ging es um eine wertorientierte, reflexive Gebrauchsweise des Begriffs des Allgemeinen, der das Verhältnis der Wissenschaften zueinander thematisierte. In seinem Beitrag argumentiert Paul Ziche, dass dieses Verständnis auf Kant zurückzuführen ist, der das Allgemeine als eine von den Wissenschaften selbst unabhängige Reflexionsinstanz einführte, die die Bedingung der Möglichkeit von Wissenschaft erkundet. Wenn man so will, kommt das Spezielle als Ausführungskompetenz zur Geltung, während das Allgemeine als Reflexionskompetenz dasteht. Diese Trennung stieß auf die Kritik von Idealisten wie Fichte und Schelling, denen ein umfassendes, allgemeines System von Wissenschaft vorschwebte, das sich – durchaus praktisch gedacht – über das Niveau »bloßer Spezialschulen« (Schelling) erheben sollte. Die verbindliche Wissenschaftlichkeit dieses Systems wird aber auch für Schelling nur durch die Reflexivität gesichert, die jedoch, anders als bei Kant, Teil des Systems selbst ist.