Trotz seines berühmt gewordenen Bonmots, wonach der liebe Gott im Detail steckt, wandte sich auch Aby Warburg gegen die historischen und philologischen Stoffhuber an den deutschen Universitäten, die ihren Studenten einimpften, dass nur das Detail als solches für die Wissenschaft von Bedeutung sei. Wie Anthony Grafton in seinem Beitrag zeigt, ging es Warburg darum, im Detail das Allgemeine und Repräsentative aufzuspüren. Streng genommen hätte das auch jeder andere Detailforscher für sich in Anspruch nehmen können, doch hatte Warburg gerade bei dem Kulturhistoriker Karl Lamprecht in Leipzig gelernt, am Beispiel von Gesten, Gebräuchen, Symbolen und Ritualen die allgemeine Entwicklung des menschlichen Bewusstseins zu studieren. Das Besondere an Warburg liegt darin, dass er das gründliche Studium des Details stets im Hinblick auf das Allgemeine einer Epoche oder einer Kultur verstand, gleichzeitig jedoch einer der scharfsinnigsten Kritiker einer Überbetonung des Allgemeinen war. »Entartung ins Grosszügige« nannte er diese Haltung, die er bei Houston Stewart Chamberlain, Werner Sombart und auch bei Lamprecht (er hätte dessen Leipziger Kollegen Friedrich Ratzel ebenso dazuzählen können) ausmachte. Von einer höheren Warte aus zu argumentieren, brachte es die Gefahr der Oberflächlichkeit, der journalistischen Popularisierung und Vereinfachung mit sich, wobei zu befürchten war, dass damit ein Verständnis der Komplexität des historischen Geschehens verspielt würde. Warburg fürchtete – ganz zu Recht – kaum etwas so sehr wie den Verlust des sozialen Gedächtnisses, weil er darin ein gewaltiges Potential für kulturelle und politische Beben erkannte. Chamberlain oder Spenglers Geschichtsphilosophie wären nur prominente Beispiele einer solchen Verabsolutierung des Allgemeinen, die sich gewollt und unverzüglich im Morast politischer Parolen befindet.