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Suman Seth: Allgemeine Physik?
Allgemeine Physik?
(S. 151 – 184)

Max Planck und die Gemeinschaft der theoretischen Physik, 1906-1914

Suman Seth

Allgemeine Physik?
Max Planck und die Gemeinschaft der theoretischen Physik, 1906-1914

Übersetzt von Michael Hagner und Manfred D. Laubichler

PDF, 34 Seiten

Vor allen anderen Wissenschaften war es die Physik, die um 1900 den Anspruch einer Leitwissenschaft erhob. Wie Suman Seth in seiner Studie zu Max Planck und der theoretischen Physik vor Augen führt, war dies gleichermaßen in der Struktur der mathematischen Modelle, den philosophischen Debatten, die sich daran entzündeten, und in den Persönlichkeiten der beteiligten Wissenschaftler und ihrem kulturellen Milieu begründet. Planck repräsentierte seinerzeit mehr als alle anderen Physiker den Übergang vom mechanischen Weltbild des 19. Jahrhunderts zu dem von der Relativitäts- und Quantentheorie geprägten 20. Jahrhundert. Die Schaffung und Etablierung eines neuen Fundaments der Physik hieß, sich von anthropomorphen und historisch kontingenten Positionen, wie sie Plancks Gegenspieler Ernst Mach vertreten hatte, freizumachen und eine Ordnung herzustellen, die mit einer religiösen Glaubensorientierung verblüffende Parallelen aufweist. Diese Transformation der physikalischen Grundlagen führte auch zu einem neuen Verständnis der Bedeutung des Theoretischen und des Allgemeinen. Seth zeigt, dass die verbreitete Annahme, wonach die theoretische Physik sich im Gegensatz zur experimentellen Physik hauptsächlich mit allgemeinen und fundamentalen Fragen beschäftigte, keineswegs der Realität entsprach. Vielmehr verstand sich die Theorie als das Alpha und Omega der gesamten Physik und fühlte sich entsprechend auch für die Belange des experimentellen Bereichs kompetent. An diesem Beispiel zeigt sich besonders deutlich, wie die Kategorie des Allgemeinen gleichzeitig die philosophisch-weltanschauliche Bedeutung der Physik verändern und das Ordnungsgefüge innerhalb der Disziplin verschieben konnte.

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Suman Seth

ist Professor für Science and Technology Studies an der Cornell University, Ithaca.

Michael Hagner (Hg.), Manfred D. Laubichler (Hg.): Der Hochsitz des Wissens

Der Begriff des Allgemeinen steht gemeinhin für den Gegensatz zum Besonderen, zum Einzelnen oder auch zum Teil(-weisen). Zum Allgemeinen vorzustoßen bedeutet, einen größeren Horizont abzustecken, der die Voraussetzung für weitergehende Erkenntnis bildet, aber auch gewisse Risiken mit sich bringt. In den Wissenschaften wird das Allgemeine erst im 19. Jahrhundert zu einer zentralen epistemischen Ordnungskategorie.

In dem Band geht es um die Wiedereingliederung von konzeptuellen und theoretischen Aspekten in die Wissenschaftsgeschichte nach dem »practical turn«. Das Allgemeine wird als praktisch relevanter Grundwert der Wissenschaften verstanden, mittels dessen Wissen generiert, strukturiert, verändert bzw. überhaupt erst verfügbar gemacht wird. Die Beiträge zeigen, wie das Allgemeine etwa in Biologie, Medizin, theoretischer Physik, Kultur- und Kunstgeschichte sowie der Philosophie zur Geltung gebracht wird. Wollte man diese scheinbare Vielfalt auf einen Nenner bringen, so könnte man vielleicht sagen: Zweifellos steckt der Teufel im Detail, doch zumindest das Versprechen auf höhere Erkenntnis steckt im Allgemeinen.

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