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Hubert Thüring: Der alte Text und das moderne Schreiben
Der alte Text und das moderne Schreiben
(S. 121 – 147)

Zur Genealogie von Nietzsches Lektüreweisen, Schreibprozessen und Denkmethoden

Hubert Thüring

Der alte Text und das moderne Schreiben
Zur Genealogie von Nietzsches Lektüreweisen, Schreibprozessen und Denkmethoden

PDF, 27 Seiten

Hubert Thüring rekonstruiert Nietzsches Biografie auf der Folie einer Genealogie des Schreibens: Seine Ontogenese als Autor spannt sich von der Referenz auf den globalen Text (die Selbstverortung als »Kind des Textes« im bzw. durch das Jugendwerk) über die Imitation klassischer Schreibnormen, das wissenschaftlich-philologische Exzerpieren klassischer Texte und das ›wilde‹ Kompilieren zeitgenössischer Mode-Texte in enger Nähe zum Massenjournalismus bis hin zur Selbstreferenz des nackten Schreibens (in den Notizheften der Spätphase).

  • Moderne
  • Nietzsche
  • Diskursgeschichte
  • Franz Kafka
  • Literaturwissenschaft

Meine Sprache
Deutsch

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Deutsch

Hubert Thüring

hat deutsche und italienische Philologie studiert und ist Dozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Seminar der Universität Basel. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Gedächtnis in der Literatur und Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts, biopolitischer Lebensbegriff von 1750 bis 1935, Identität in Literatur, Psychiatrie und Recht um 1900, Textkritik, Text und Schreiben, Theorie der Literatur- und Kulturgeschichte. Zudem hat er Texte von P. Levi, G. Agamben, G. Didi-Huberman übersetzt.

Weitere Texte von Hubert Thüring bei DIAPHANES
Friedrich Balke (Hg.), Joseph Vogl (Hg.), ...: Für Alle und Keinen

Es gibt kaum zwei andere Autoren der deutschsprachigen Moderne, bei denen das Verhältnis von Sprache und Leben so intensiv verhandelt wird wie bei Friedrich Nietzsche und Franz Kafka. Für Nietzsche, den »gefährlichen Denker« und das »Dynamit« der christlich-abendländischen Werteordnung, wie für Kafka, den »Dichter der Angst« und Experten für Arbeiter-Unfallversicherung, bilden die biopolitischen Dispositive des heraufkommenden Wohlfahrtsstaates und die Verschiebungen, die der Historismus für die Ökonomie des Wissens und die Massenpresse für die Ökonomie der Rede bedeuten, eng aufeinander bezogene Faktoren des Problemgefüges, das ihre Schreibprojekte hervortreibt. Für beide stellt der Doppelcharakter sprachlicher Überlieferung – als Sicherung des kollektiven Lebens und als Unterwerfung des individuellen – eine zentrale schriftstellerische Herausforderung dar, und beide begreifen die daraus resultierende Riskanz einer radikalen Umschrift der durch Lektüre angeeigneten Tradition als ethisches Problem.

Der Band zielt darauf ab, die beiden Antworten auf jene Herausforderung vor ihrem jeweiligen biographischen und zeitgeschichtlichen Hintergrund gegeneinander zu kontrastieren und sie zugleich als – bis heute gültige – paradigmatische »Haltungen« im diskursiven Feld der Moderne sichtbar werden zu lassen. Indem der Band den »dialogischen« Bezug Kafkas auf Nietzsche auf der Folie diskursiver und medialer Ereignisse und Konstellationen der Zeit motiviert und spezifiziert, lässt er ihn zugleich als vielstimmigen »Polylog« oder sogar unlesbaren »Babellog« quer durch die Kultur und die Wissensfelder des anbrechenden »kurzen 20. Jahrhunderts« (1914–1989) erscheinen.