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Tim Etchells: Taxi Driver
Taxi Driver
(S. 209 – 218)

Ein merkwürdiges Märchen aus Endland (sic!)

Tim Etchells

Taxi Driver

Aus: Endland, S. 209 – 218

Es war einmal ein aufsässiger griechischer Taxifahrer namens Antagonistes.

Er war ein Mann, der in der Dunkelheit von Endland (sic!) lebte und dafür bekannt war, dass er erst trank und dann fragte. Dieser Kerl hatte Pisseflecken auf der Hose und Bohnensauce auf dem Hemd. Er trug das Haar offen, mit so einem flamencoartigen Schnitt, und seine Gürtelschnalle sah aus wie ein Totenkopf. Er ging oft in die Disco unten im Roxy, obwohl er’s mit dem Tanzen gar nicht so hatte, allenfalls Der Kopfstoß und The Stairwell. Die Rausschmeißer fürchteten und »respektierten ihn als ebenbürtig«©, und wenn Taggy (Kurzform für Antagonistes) in eine Schlägerei verwickelt wurde, hielten sie sich zurück und ließen ihn verflucht nochmal gewähren.

Das war 1973, kurz nach dem Winter und kurz vor der Rückkehr der Truppen, die alle umbrachten, die sie nicht beim ersten Mal umgebracht hatten.


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Eines Nachts fuhr Taggy (Kurzform für Antagonistes) mit seinem Taxi die Spätschicht, und um 3 morgens war es ihm zu ruhig, mein Freund, und so hielt er bei Kev’s Kebab Kastell beim Brunnen und bestellte sich einen Kebab.

Es sah ganz danach aus, als ob es ohne Zwischenfall abgehen würde, aber dann tauchten ein paar langbeinige blonde Mädels auf und erregten A.s Aufmerksamkeit, inklusive Fallenlassen der Senfspenderspritze, Hinterherpfeifen und diverser überflüssiger Kommentare zu diversen Körperteilen.

Es dauerte nicht lange und eine Menschenmenge hatte sich versammelt und unser griechischer Freund sah sich über kurz oder lang in eine Riesenscheiße mit einem Haufen Kerle aus Doncaster verwickelt, die ihn in ihren Maestro stopften und davonfuhren.


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Als Antagonistes erwachte, war er hinter dem Ladbrokes-Wettbüro in Meadowhead an einen Felsen gekettet, mit entblößtem Unterleib, und ein paar Adler fraßen seine Leber. Jeden Morgen war seine Leber nachgewachsen und jede Nacht kamen die Bastarde von Adlern wieder und fraßen sie erneut. Der Schmerz war fürchterlich und all seine Hilfeschreie nutzten Taggy überhaupt nichts.


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Einigen Kerlen, die sich als Taggys Kumpel ausgaben, war sein Schicksal bekannt, aber keiner von ihnen rührte auch nur einen Finger. Boris vom Entzug war’s scheißegal, Twig aus der Kneipe war’s scheißegal und Calita, seiner Freundin, die er manchmal bumste, war’s erst recht scheißegal. Nur sein Stiefbruder John John raffte sich zu einem Versuch auf, den Bastard zu befreien.

John John schleppte Calita mit dorthin, um ihm zu helfen, Taggy von der Qual zu erlösen, aber der Bolzenschneider, den sie sich von einem Typen ausgeliehen hatten, der bei der Bahn arbeitete, schaffte die Ketten nicht und war bald völlig verbogen und verdreht. Adler schnappten nach John John, während er arbeitete und Taggy lachte sich halbtot und möste es nicht ernst nehmen und furzte immerzu und machte diese Musik wie die Damn Busters und versuchte Calita zu überreden, ihm einen zu blasen.

Um 4 Uhr morgens gingen JJ und Calita, überließen Taggy seinem Schicksal und die Adler ihrem späten Abendmahl.

John John war ein Volltrottel, aber zumindest war er loyal. Als sein bester Schulfreund starb, hatte John John mit ihm im Schlamm gesessen bis die Polypen kamen. Ein andermal hatte er zahlreiche Lügen erzählt, um Taggy vor Schwierigkeiten mit seiner Mutter zu bewahren, und dann hatte er einmal ein Mädchen geheiratet, was er noch nicht mal liebte, weil er dachte, das zu tun sei das Richtige.

John Johns IQ war nicht größer als seine europäische Schuhgröße und er arbeitete nachts in einer alten Fabrik, wo eine Menge neuartiger Plastikscherzartikel hergestellt wurden. Wenn ihn irgendjemand fragte, antwortete er voller Narrenstolz, dass sein Gewerbe die Herstellung von im Dunkeln leuchtenden Skellingtons, sich drehenden, realistisch aussehenden Pimmeln und menschlichen Totenschädeln mit rot blinkenden Augen sei.

Nach sechs Wochen am Felsen hatte Taggy die Nase voll.

1) Sein Handy war nicht aufgeladen, so dass er nicht telefonieren konnte.

2) Er hatte sich den Rücken wund »gelegen« und

3) diese Adler pickten ihm immer noch jede verdammte Nacht die Leber raus.

Es war, wie der Dichter sagt, eine verdammt beschissene Scheißsituation.


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John John bei der Nachtschicht, die riesige Fabrikhalle wie ausgestorben, abgesehen von ein paar armseligen Typen wie er, von denen sich die meisten unter Tischen im Dreck aufs Ohr gehauen haben, zusammengerollt und schnarchend wie die Schweine. Die »donnern-den« Maschinen stanzen die Früchte ihres Leibes aus: Gummiknochen, Gallertpimmel, aufblasbare Titten, sich drehende Augäpfel, klappernde Vampirzähne, »sprechende Wunden«; Aufziehscherzhände, die nach Armengroschen grabschen usw.

Zu unterschiedlichen Zeiten gingen die Sirenen los und der Strom wurde abgeschaltet, was den Hangar in »Schweigen und Dunkelheit«© tauchte. Plötzlich schien die Dunkelheit dunkler als je zuvor und über ihnen flogen Bomber, als Teil einer ausgedehnten maßstabsgetreuen repräsentativen Wiederaufführung des Zweiten Weltkriegs, ein Kooperationsprojekt aller europäischen Länder. Draußen fielen Bomben mit furchterregendem Getöse, Truppen wurden mobilisiert, das ganze Ding ein angebliches Siegeszeichen der guten internationalen Handelsbeziehungen und des Joint-Venture-Kapitalismus. John John murmelte:

»Verfluchte Luftschlacht um England…«

Dann wartete er den nachgestellten Luftangriff bis zur Entwarnung ab, sein Kopf im Halbschlaf vor sich hin nickend, der Raum nur vom Leuchten der Skelette und anderer Artikel erhellt, was sein fettkäsiges Gesicht grünlich schimmern ließ.


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Und in diesem Fast-Dunkel hatte John John eine »brillante Idee«©.

Nach der Arbeit ging er rüber zur Kneipe und redete mit Reg, dem Barkeeper. Reg, der Barkeeper, redete mit diesem anderen Typen, der manchmal in die Kneipe kam und der bei einem Einbalsamierer arbeitete und der wiederum redete mit einem anderen Stammgast, _________ , einer der furchterregenden Kantinenangestellten vom örtlichen Gefängnis.

Nicht lange, und sie hatten einen »riesigen Mischer« draußen im Hinterhof der Kneipe laufen und stellten eine halbe Mülltonne voll teuflischen Tranks her. Der Wirt schüttete Schmutzwasser rein, _________ , die Frau aus dem Knast, kippte alten zerlaufenen Kartoffelbrei hinterher und zu Tode gekochtes Grünzeug und verschiedene Reste hinein und der Einbalsamierer schmiss ein paar Extras aus Haut und Formaldehyd dazu. Und dann, zur Festigung der Mischung, holten sie diesen alten Kerl aus der Kneipe, der sollte drauf scheißen – kreischend hielten sie ihn über die Mülltonne, mit seiner verkrusteten alten »Vorkriegs«hose, die ihm um die Knöchel schlug und dem über seinen dürren tätowierten Bauch hochgezogenen Nylonhemd. Das Zeug stank verdammt fürchterlich, und sogar John John (der keinerlei Geruchssinn mehr besaß, seitdem er in einem Schlachthof gearbeitet hatte) brauchte eine große Holzwäscheklammer für seine Nase, als er die verdammte Scheiße umrührte.

Als die Mischung fertig war, flitzte John John zur Fabrik zurück, um noch so allerlei Teile aus der dortigen Produktion einzupacken.


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Oben hinter Ladbrokes, wo Taggy auf dem Felsen lag, sah es mittlerweise allerdings anders aus. Erstens, er hatte sich mit einem blöden kleinen Klebstoffschnüffler angefreundet, der Lampton hieß. Lampton war ein stadtbekannter Trottel, dem häufig Bostik aus der Nase lief. Es machte ihm allerdings nichts aus, Botengänge für Taggy zu erledigen, wo der doch da auf dem Felsen lag. Zuerst ging er Fusel holen, dann ging er Fluppen holen, dann ging er Porno-Heftchen holen und schließlich brachte Taggy den Burschen noch dazu, ihm tagtäglich eine Zeitung zu holen, so dass er das Rennprogramm und allerlei andere Worte der goldenen Weisheit studieren konnte. Das alles kostete Taggy ein paar Schillinge, was ihm aber ziemlich scheißegal war – eines Tages schickte er Lampton zur Mittagszeit zu Ladbrokes runter, um einen Fuffi mit 33/1 Each-Way auf einen Gaul namens KATASTROPHENSZENARIO zu setzen. Natürlich kam das Pferd wie ein Held ins Ziel und Taggy lachte.


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Von diesem Moment an war am Felsen fast Tag und Nacht Partytime angesagt und Taggy war für immer umringt von kriecherischen Genossen und Ex-Rocker-Typen, die GUN CIDER und Alcopops tranken. Auch ein paar asiatische Kumpel, das pakistanische Äquivalent zum weißen Abschaum, kamen jetzt immer vorbei und brachten haufenweise miesen Stoff mit und Marty vom Boxclub hatte seine Pitbulls im Schlepptau, mit denen er versuchen wollte, die Adler zu verjagen.

Das nächtliche Erscheinen der Adler erwies sich bald als größere Säufer-Attraktion und der Wirt der örtlichen Kneipe stellte eine ganze Ladung Plastiktische und Stühle in der Nähe des Felsens auf und spannte ein paar Reihen girlandenartige bunte Lichter zwischen den Straßenlaternen und diesem Zaun aus Nato-Draht hinter der Bar-B-Q-Grillbar, und fertig war der improvisierte Bier-Garden. Hot-Dog-Stände folgten, und mit ihnen das übliche Gastroabschaum aus Kebab-Wagen, Teebuden und mobilen Frittenbuden. Morgens um 2 oder 3, wenn die Adler kamen, im Sturzflug und mit aufgesperrten Schnäbeln, hörte man Freuden- und Angstschreie aus der Menge und Angstschluchzer von den vielen übermüdeten Kids, die barfuß herumliefen.


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Das war also der Kontext, den John John vorfand, als er in jener schicksalhaften Nacht ankam, die widerstrebende Calita im Schlepptau und eine Schubkarre voller Zeugs aus der Fabrik, unter einem Haufen alter Säcke versteckt. Während Musik im Wurlitzer-Stil aus blechernen Lautsprechern plärrte und nichtsnutzige Kids im Kreis rannten und sich gegenseitig mit Tomatenketchup bespritzten, lag Taggy auf seinem Felsenbett, vor dem leichten Regen durch einen farbenprächtigen Golfer-Regenschirm geschützt, auf dem zu lesen war:

Arger Ärger Im Paradies

Taggy lacht, Taggy mitten im Zentrum des Chaos – als ob das Ganze irgendwie von ihm ausgegangen wäre.

John John und Calita bahnten sich einen Weg zu Taggys Felsen, schoben sich durch die Menge bis zu dem etwas weniger bevölkerten Streifen direkt neben ihm. Sobald sie sich jemandem näherten, wurde ihnen schleunigst Platz gemacht, denn der Gestank aus dieser Schubkarre war auch wirklich verdammt scheußlich. Gegen 1:30 nahm John John die Säcke von der Karre und begann mit dem Auspacken. Gemurmel in der Menge. Calita hockte sich auf einen Felsen neben Taggy und einem Paar chronischer Pillen-Köppe und machte Smalltalk.

Was zum Teufel hatter nu vor fragte Taggy.

Keinen blassen, irgendn bekloppter Plan sagte Calita.

Blas mir ein’n sagte Taggy.

Blas dir selber ein’n sagte Calita und lachte, als Taggy an den Ketten riss, die ihn unten hielten, sein Mund zu einem verzweifelten »O« geformt.


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John John schob die Schubkarre über das tote, festgetretene Gras, hielt ab und zu, um sein Zeugs zu verstreuen. Als er damit fertig war, war Taggy umgeben von den Trümmern fürchterlich stinkender Scherzartikel; lecke Gallertpimmel, Innereien spuckende, klappernde Zähne, gefakte Früchte und falsche Titten, alles aufgepumpt mit Bier-Abschaum und Abwässern, alle Teile eingeweicht und vollgestopft mit der fauligen Mixtur der Schlechtigkeiten aus der Kneipe. Die Menge wich zurück, auf sichere Distanz.

Als die Adler kamen, standen der »Mond« und die Satelliten tief am Himmel. Sie schossen auf Taggy zu, sahen dann aber all das Leuchten in dem dunklen Scheiß, der überall verstreut war. Sie stürzten sich auf die Skelette, die Greifhände, die sprechenden Wunden und den ganzen andern Kram, scharrten, pickten und verschlangen alles.

Taggy möste sein Glück kaum fassen. Die dämlichen Vögel fraßen den ganzen Plastikscheiß und vollführten bald eine Art schlappen Todestanz, hüpfend, verelendend, fallend, strauchelnd.

Als es so aussah, als seien die Vögel wirklich betäubt und verwirrt, machte sich John John mit einem Tennisschläger als Knüppel über sie her. Es war köstlich zu sehen, wie er zerschmetterte und zermanschte und durchnudelte, Blut und »herrliche Federn«© überall, bis die Vögel in den Boden gestampft waren und die Menge in großartig missmutige Beifallsrufe ausbrach.


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John John wurde auf die Schultern der großartigen Burschen aus der Gegend gehievt – Pointy und Kev Filty und Dobbo und Zwei-Auge – und in einem Triumphmarsch durchs Viertel getragen, umringt von kleinen Kindern, die auf improvisierten Trommeln aus Mülltonnen und Rad-kappen Krach machten.

Es war eine legendäre Nacht. Es gab ein Feuerwerk. Romanzen begannen. Romanzen endeten. Ein Typ wurde umgebracht. Ein Kind wurde geboren, in diesem Container beim Texas-Homebase-Möbelmarkt.

Und als die Menge weiterzog, auf der Suche nach dem nächsten Kick, jubelnd und singend, blieb Taggy irgendwie allein zurück.


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Jetzt, da die Adler wirklich und wahrhaftig zerstampft waren, schien sich niemand mehr allzusehr um die blöde Sau zu scheren.

Einige Nächte kamen noch Besucher. Leute, die neugierig waren, ob neue Adler auftauchten oder so, oder ob die alten wieder lebendig würden, sich selber aus der blutigen Erde zusammensetzten, wie in einem Horrorfilm. Aber als das nicht geschah, vergaßen ihn die Leute scheints und nach ein paar Tagen holte der Wirt die Stühle zurück in die Kneipe, wo sie vorher gewesen waren, und die Leute aßen ihre Pommes wieder dort im Hof in der heißen Luft des Dunstabzugsgebläses, genau wie sie es zuvor auch immer getan hatten.

Es wurde ruhig dort am Felsen. Manchmal tippte vielleicht einer der Veteranen auf dem Weg zu Ladbrokes Richtung Taggy an seine Mütze, oder Lampton saß bei ihm, die Augen von Klebstofftränen verquollen, zitternd vor Kälte, schweigend, während Taggy redete.

Von Calita bekam er natürlich einen geblasen. Aber nach einer Weile möste auch sie nicht mehr einsehen, welchen Sinn es haben sollte, Sex mit einem Typ zu haben, der eine Art Ex-Touristenattraktion war und ein Wiedergänger und sowieso die ganze Zeit gefesselt.


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John John wollte eigentlich immer mal wieder hingehen und die Ketten durchschneiden, aber irgendwie kam er nie dazu, so stolzgeschwellt wie er nach dem Abschlachten der Adler und allem war. Er war, wie der Dichter sagt, »leicht abzulenken« durch sein neu entdecktes Glück, hatte jede Menge Mädels und ging jeden zweiten Freitag mit Zwei-Auge und den anderen auf Kneipentour.

Eines Tages im Mai kam er aber doch vorbei und setzte sich ein Weilchen und versuchte, bei Taggy zu sitzen, aber sie mösten nicht so recht ein Gesprächsthema finden. Taggy war wie ausgewechselt – er hatte jetzt andre Interessen und auch John John war verändert. John John lebte sein Leben, die Leute auf der Arbeit waren neuerdings nett zu ihm, Taggy aber hatte nur den Felsen. Er wollte über nichts anderes reden als über das, was er von dort, wo er lag, sehen konnte – Probleme, das Universum, die Philosophie der Vereinsamung, Erfindung von Lügen.

Als John John ging, war noch nicht mal Sperrstunde, aber er redete sich raus. Taggy redete über Griechenland. Wie sehr er bedauerte, nie dorthin zurückgekehrt zu sein, wie er manchmal an seine Kindheit dachte – eher wie Blitze als Erinnerungen, merkwürdige Bilder eines anderen Lebens.


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Taggys Taxi rostete. Ein paar Kids knackten es und fuhren einige Tage damit durch die Gegend, zertrümmerten die Lenksäule, zerkratzten die Seiten. Eine Woche später krachten sie damit in einen Laternenpfahl an der Wards Corner. Dort blieb es. Nach einem Monat (1 Monat) hatte es sich ein Penner als Schlafplatz auserkoren. Bald stank das Ding nach Pisse. Kids steckten das Auto in Brand. Der Penner starb.

Taggy wurde auf dem Felsen alt. In manchen Nächten starrte er nur in die Sterne und fragte sich, was mit seinem Leben schief gegangen war.

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Tim Etchells

Tim Etchells

arbeitet als Theaterautor und Performer, Regisseur und Schriftsteller. Einem breiten Publikum ist er vor allem durch seine Arbeit mit der Performance-Gruppe »Forced Entertainment« bekannt, die er 1984 gründete: eines der einflussreichsten Theaterprojekte der letzten Jahrzehnte. Daneben erschloss sich Etchells andere künstlerische Ausdrucksformen als Schriftsteller (»Endland Stories« erschien erstmals 1999, im Jahr 2001 folgte »Dictionary for the Modern Dreamer«) und Performance-Künstler. Tim Etchells lebt im nordenglischen Sheffield und in New York.

Weitere Texte von Tim Etchells bei DIAPHANES
Tim Etchells: Endland

Tim Etchells

Endland

Übersetzt von Astrid Sommer

Gebunden mit Schutzumschlag, 240 Seiten

Maria hat wundertätige Kräfte und setzt den verkorksten Typen aus der Siedlung die Köpfe wieder ein, wenn sie sich aus der Verankerung gelöst haben. Von einem Tag auf den anderen wird Lisa von sämtlichen Automatiktüren der Stadt ignoriert – sie öffnen sich einfach nicht mehr. Wenn Homers »Ilias« nach Endland (sic) verlegt wird, heißen die Götter Haferbrei und Spachtel, Helena, Apollo 12, Aldi und Blowjob, und der Krieg findet in einer »gesetzlich vorgeschriebenen, jeden Samstag auf sämtlichen Kanälen laufenden« Quizsendung statt. Zwischen Sherwood Forest und Computerspiel, den Vorstadtsiedlungen, Einkaufshöllen und namenlosen Schlachtfeldern unserer Gegenwart sind die prekären Landschaften Endlands angesiedelt. Seine Trümmerfelder sind bevölkert von dilettierenden Zeitreisenden, Nacktputzern, Mördern und Fernsehansagern, von Mutanten, herumvagabundierenden Kindern, alleinerziehenden Müttern und marodierenden Söldnern. Virtuos verschränkt Tim Etchells verschiedenste Genres und Versatzstücke, spielt mit abgenutzten Wendungen aus Slang, Fernsehen und Popkultur, Werbung und Klatschpresse. Eine Schreibweise, die bisweilen geradezu körperlich schmerzt und zwischen irrwitziger Komik, äußerster Brutalität und abgründiger Traurigkeit hin und her schaltet. Eine Schreibweise, die sich nicht lange mit Realismus aufhält. Tim Etchells ist hierzulande vor allem durch seine Arbeit mit Forced Entertainment bekannt, »der derzeit brillantesten Theatergruppe Großbritanniens« (The Guardian). Mit »Endland« legt er ein Kompendium sardonischer Kurz- und Kürzestgeschichten, Gruselmärchen und Lehrfabeln für das digitale Zeitalter vor. Für den deutschen Leser wurde die Sammlung um elf bislang unveröffentlichte Texte erweitert.