Nutzerkonto

Uraufführung: »Die Schritte der Nemesis« am Staatstheater Braunschweig

04.06.2022, 19:30 - 18.06.2022
Staatstheater Braunschweig, Am Theater , 38100

Uraufführung von »Die Schritte der Nemesis: Dramatische Chronik aus dem Parteileben der UdSSR (1936–1938) in sechs Bildern« von Nikolaj Evreinov.

 

Die Inszenierung entsteht als mehrsprachiges Projekt in Kooperation mit Sylvia Sasse (Universität Zürich) und wird von einem Workshop begleitet, der nach Gerichtsprozessen als einem Mittel politischer Inszenierung in der Gegenwart fragt.

 

Schritte der Nemesis

 

 

Eine Kooperation des Staatstheaters Braunschweig mit der Universität Zürich und dem International Laboratory Ensemble
Regie: Yuri Birte Anderson, Bühne und Kostüme: Ulrich Leitner, Musik: Jonas Burgwinkel, Lukas Pergande, Video: Zee Upitis, Dramaturgie: Christoph Hilger; Mit: Tobias Beyer, Gina Henkel, Ana Yoffe, Janet de Vigne, Alina Tinnefeld, Antonina Romanova, Andrey Urazov, Thomas Behrend, Martin MacLennan.

 

Weitere Vorstellungen am 06.06 und 09.06. sowie am 17.06. und 18.06.

 

https://staatstheater-braunschweig.de/produktionen/die-schritte-der-nemesis/

https://www.slav.uzh.ch/de/forschung/litwissprojekte/Agora.html

Nikolaj Evreinov

Nikolaj Evreinov

(1879–1953), Theatertheoretiker, Regisseur und Dramatiker, der mit seinen Theorien zur »natürlichen« Theatralität des Menschen, zum »Theater als solchen« und zum »Theater für sich« bekannt wurde. Seine Theaterstücke, u.a. Monodramen und Stücke, die seine Idee der Theatertherapie aufführten, waren ästhetisch eher konventionell. Mit Wiederholung bzw. Reenactment beschäftigte sich Evreinov bereits in dem von ihm mitbegründeten Starinnyj Theater (Altertümliches Theater), wo er historische Aufführungen rekonstruierte und reinszenierte. Auch nach seiner Emigration nach Paris (1924) verfolgte er die Theatralisierung der Sowjetunion und schrieb u.a. ein Stück über die Schauprozesse, Die Schritte der Nemesis (Šagi nemezidy), das diese als Theater reinszeniert. Beim Sturm auf den Winterpalast war Evreinov Chefregisseur und wurde dafür von der Militärverwaltung »abkommandiert«.
Gleb J. Albert (Hg.), Nikolaj Evreinov, ...: Die Schritte der Nemesis

In den 1910er Jahren forderte der russische Theaterregisseur und -theoretiker Nikolaj Evreinov (1879–1953) die Theatralisierung des Lebens. Als Stalin zwanzig Jahre später in Moskau drei politische Schauprozesse mit viel Aufwand inszenieren ließ, saß Evreinov bereits im Pariser Exil. Er hatte Russland 1924 verlassen. Nun liest er akribisch die Protokolle der Prozesse in der russischsprachigen Presse, sammelt Material über Nikolaj Bucharin und die anderen Angeklagten, berät sich mit Experten und schreibt schliesslich ein Stück, seine Antwort auf die Inszenierung einer Justizfarce. Mit dieser Antwort wollte er womöglich auch seine Idee von der Theatralisierung des Lebens rehabilitieren. Denn Theatralisierung des Lebens bedeutet nicht, falsche Geständnisse aufzuführen, Verschwörungen zu konstruieren, Fakten zu fabrizieren oder gedungene Zeugen zu casten. Evreinov ging es in seiner Theatertheorie darum, das Theater des Lebens nicht unsichtbar zu machen. Sein Stück ist deshalb keine historische Rekonstruktion, sondern ein imaginärer Blick hinter die Kulissen, bei dem die verantwortlichen politischen Drahtzieher am Ende das eigentliche Verbrechen gestehen: das Theater.