Der ehemalige Polizeiunterwachtmeister R.M. Swaminathan ist seit dem allzu engagierten Verhör eines äußerst schuldigen Verdächtigen unfähig zum Sprechen ganzer Sätze, an den Rollstuhl gefesselt und zur völligen Passivität verurteilt. Nicht nur hat er von seiner mageren Frühpension seine Familie zu ernähren, obendrein ist er Vater von sechs Töchtern, die sich unaufhaltsam dem Alter ihrer Verheiratung nähern. Angesichts dieser bitteren Lage mögen Selbstmordversuche unter Zuhilfenahme von Fahrradflickzeug oder eines Eimers voll Wasser durchaus einen Ausweg bieten, doch auch hieran scheitert Swami. Zunächst scheint es, als bestätige es nur den über ihm liegenden Fluch, dass ihm just am Tag der unter Dach und Fach zu bringenden Eheanbahnung seiner Ältesten ein Mann aus einem Hotelfenster heraus nahezu auf den Kopf fällt und zu seinen Füßen liegend stirbt. Damit wird Swami nicht nur zum Gespött der gesamten Stadt – zugleich gerät er per Zufall in ein Netz aus Polizeiintrigen, Verbrechen und Korruption, was die verzweifelten Verkuppelungsmanöver seiner Ehefrau ins Leere laufen lässt. Doch als sich weitere sonderbare Dinge ereignen, wendet sich das Blatt: Swami wird ohne jegliches eigenes Zutun von einem Tag zum anderen von Tausenden von Anhängern als Guru verehrt. Den Stand der Familienplanung verbessert dies gleichwohl nicht entscheidend, denn die Moderne in Gestalt der nächsten Generation funktioniert nach anderen (wenn auch nicht weniger exzentrischen) Regeln …
Angesiedelt im heutigen, sich explosiv entwickelnden Indien, ist »Weißer Mann fällt« eine sanfte Satire über die unmögliche Suche nach Bedeutung im Bedeutungslosen, über häusliche Katastrophen, versehentlich aufgedeckte Verschwörungen, über Wahrheit und Weisheit, Naivität und Spiritualität, Aberglaube, Missgeschick und Missverständnis. Stocks’ Prosa ist so zwingend und so unwiderstehlich komisch, dass der Leser die nur auf den ersten Blick knallbunte Story von Anfang an ohne weiteres akzeptiert. Wie liebevoll, präzise und cool Mike Stocks seine erzählerischen Pointen setzt, wie schwarzer Humor, Wortwitz und Situationskomik sich mit wohldosiert leisen Tönen treffen, die verblüffende Nonchalance, mit der er sich den charmanten Slang des Indischen anverwandelt: All dies macht das Buch von der ersten bis zur letzten Seite zur unterhaltsamen und erfüllenden Lektüre.