Marie Glassl: Sophie, warum und in welchem Kontext hast du begonnen zum Thema Leihmutterschaft zu arbeiten?
Sophie Lewis: Ich habe mich während meiner Promotion in Humangeographie intensiv mit den Kategorien »Arbeit« und »Natur« beschäftigt – und mit der Möglichkeit, dass das, was wir als Natur bezeichnen, eigentlich nicht vom Bereich der Arbeit zu trennen ist. Mit der Untersuchung zur Arbeit der Natur, wollte ich einen Beitrag zu bestehenden ökomarxistischen und »außer-humanistischen« Forschungsansätzen leisten und untersuchen, inwiefern bestimmte Formen von Arbeit etablierte politisch-ökonomische Gegebenheiten stören könnten.
So kam ich schlussendlich zum Nullpunkt der Produktion des Menschen: der Schwangerschaft. Es wird ständig von Geburt und Geburten gesprochen, aber die eigentliche Arbeitsleistung, die Fabrikation von Föten, wird dabei meist ausgeklammert.
Es ist immer noch schwierig, die Themen Schwangerschaft und Arbeit miteinander in Beziehung zu setzen. Es scheint einfacher, zunächst die Figur der Lohnarbeit in der Schwangerschaft zu isolieren. Kommerzielle Leihmutterschaft war für mich ein Weg, die über- und außermenschliche Dimension aller Schwangerschaften zu erforschen. Schwangerschaft ist ein großartiges Beispiel für Donna Haraways These, dass das, was wir als menschlich bezeichnen, immer bereits eine Beziehung zwischen mehreren Arten ist.
MG: Müssten wir so weit gehen zu sagen, dass es keinen wirklichen Unterschied zwischen einer »natürlichen« Geburt und einer Leihmutterschaft gibt, da beides »kapitalistische Funktionen der Gebärmutter« sind: Produktion des Menschen? Ist, was die Menschen am wenigsten akzeptieren wollen, der Aspekt, dass es keine natürliche oder notwendige Bindung zwischen einer Mutter und ihrem Baby gibt – dass das, was wir Liebe nennen, selbst produziert wird?
SL: Das stimmt. Die Naturalisierung bestimmter Arbeiten (vor allem der Pflege- und Affekt-Arbeit) ist ein geschlechtsspezifischer Mechanismus, dessen Sichtbarmachung sehr schmerzhaft ist. Im Kapitalismus können wir die Vorstellung, Produkt der Arbeit anderer zu sein, generell schwer ertragen. Wir bevorzugen die metaphysische Sprache einer notwendigen oder natürlichen Verwandtschaft: ein Konzept automatischer Schöpfung, das auf einem Blut- oder DNA-Fetisch beruht, der alle Nachkommen(schaft) als geistiges Eigentum und Privateigentum darstellt.
Zu Beginn von Full Surrogacy Now habe ich die Schönheit, aber auch die Gefahr und Gewalt von Schwangerschaft beschrieben: »Es ist ein Wunder, dass wir Föten in uns hineinlassen«. Aber es ist nicht so, dass es meiner Meinung nach »keinen wirklichen Unterschied« gibt zwischen dem, was wir als Leihmutterschaft bezeichnen, und dem, was es heißt, »ein Baby zu bekommen«. Du hast Recht: Ich wollte zeigen, dass der Unterschied zwischen den beiden Dingen im bio-klinischen Kapitalismus, der die Arbeitskraft von...