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Heinrich Popitz: Über die Präventivwirkung des Nichtwissens
Über die Präventivwirkung des Nichtwissens
(S. 123 – 143)

Heinrich Popitz

Über die Präventivwirkung des Nichtwissens
Dunkelziffer, Norm und Strafe [1968]

PDF, 21 Seiten

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Heinrich Popitz

studierte in Heidelberg, Göttingen und Oxford Philosophie, Geschichte und Ökonomie. Nach seiner Promotion 1949 bei Karl Jaspers habilitierte er sich 1957 bei Arnold Bergstraesser. 1959 wurde er Professor der Soziologie in Basel, 1964 Gründungsdirektor des Instituts für Soziologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, an dem er bis zu seinem Tod 2002 wirkte. Popitz hat wichtige Beiträge zur Industriesoziologie, zur sozialen Rolle, zu sozialen Normen, zur Soziologie der Macht und zur historischen Anthropologie bzw. Techniksoziologie geleistet.

David Gugerli (Hg.), Michael Hagner (Hg.), ...: Nach Feierabend 2009

Diese Ausgabe des Zürcher Jahrbuchs für Wissensgeschichte zum Thema Nicht-Wissen geht einer produktiven Grenzziehung nach. Der Unterschied von Dogma und Häresie, die Trennung zwischen Expertenwissen und Laienglauben, das Verhältnis von Validierung und Entwertung sowie die wechselseitige Abhängigkeit von Kanonisierungs- und Stigmatisierungsprozessen – sie alle betreffen jene Differenz, mit der Akteure des Wissens eine Grenze zwischen (ihrem) Wissen und dem Nicht-Wissen (der anderen) ziehen. Doch die Grenzziehung ist prekär und ständig von beiden Seiten bedroht. Neues Wissen führt zu Verunsicherungen, weil es bisheriges Wissen zum Nicht-Wissen degradiert. Umgekehrt lässt Nicht-Wissen sich nur so lange gelassen ignorieren, wie es klar von sicheren Wissensbeständen unterschieden werden kann. Die saubere Trennung von Wissen und Nicht-Wissen gehört zur Sisyphusarbeit aller Akteure des Wissens, dient sie doch der Verteidigung von Wissensbeständen gegen die Angriffe jener, die – im wahrsten Sinn des Wortes – per definitionem zu den Ignoranten gezählt werden. Die ständige Definitionsarbeit ist aber auch deshalb von wissenshistorischer Bedeutung, weil sie die Ignoranz der Akteure des Wissens gegenüber den Grenzen ihres Wissens steigert. Je erfolgreicher ihre Definitionsarbeit ist, desto weniger wissen Wissensträger, was sie nicht wissen können. Was aber würde passieren, wenn Wissensgeschichte diesem Umstand Rechnung trüge und eine Geschichte des Nicht-Wissens mitschriebe? Die Vermutung liegt nahe, dass die Wissensgeschichte das von eifrigen Wissensträgern stets akzeptierte Verbot der Selbstbeobachtung bei der Sisyphusarbeit nicht mehr befolgen müsste.