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Sergej Eisenstein: Gespräch, Screening, Buchpräsentation mit Elena Vogman

29.06.2018, 19:00
HKW – Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin

Abbildung: Sergei Eisenstein, ¡Que viva Mexico!, 1931–1932, Film, 6–8 min. Courtesy Gosfilmofond, Moskau. | © Gosfilmofond, Moskau

 

Mit Elena Vogman, Marie Rebecchi und Anselm Franke

 

Zwischen 1930 und 1932 widmete sich Eisenstein seinem Film Que viva Mexico! Das Projekt blieb unvollendet, doch der Regisseur hinterließ fast vierzig Stunden Material. Im Laufe der Jahre wurde die Produktion immer wieder aufgegriffen. Zu den wichtigsten Bearbeitungen zählt Jay Leydas Film aus dem Jahr 1955: Der frühere Eisenstein-Schüler realisierte Eisenstein’s Mexican Film: Episodes for Study mit einer Spieldauer von 225 Minuten. Der „anachronistische Synkretismus“ der mexikanischen Kultur vermittelt sich hier ein weiteres Mal in den ekstatischen, von zirkulären, repetitiven Rhythmen markierten Tänzen der Zeremonien zu Ehren der Jungfrau Maria. In einem einstündigen Screening sind Fragmente der Version Leydas zu sehen, begleitet von einer mehrsprachigen Lesung (Englisch, Deutsch, Russisch, Französisch) der unveröffentlichten mexikanischen Tagebücher Eisensteins.

 

Im offenen Gefüge unterschiedlicher Disziplinen wie Anthropologie und Ästhetik, Psychoanalyse und Gestaltpsychologie, Paläontologie und Linguistik erscheint Eisensteins Werk als ein dynamisches Vehikel, das mittels Montage, emphatischer Kritik und in exzentrischer Überschreitung der eigenen Positionen operiert. Vor dem Hintergrund ihres neuen Buches »Sinnliches Denken. Eisensteins exzentrische Methode« macht Elena Vogmann in einem Talk die epistemischen und ästhetischen Fluchtlinien dieses Denkens lesbar.

 

www.hkw.de

Elena Vogman

Elena Vogman

ist Autorin, Literatur- und Medienwissenschaftlerin und Kuratorin. Sie promovierte in 2016 über »Sinnliches Denken. Eisensteins exzentrische Methode« und war seitdem Postdoc im Forschungsprojekt »Rhythmus und Projektion« an der Freien Universität sowie Fellow am IKKM an der Universität Weimar. Sie lehrt Geschichte und Theorie der Medien an der Kunsthochschule Berlin Weißensee und arbeitet an einem Forschungsprojekt zu »Madness, Media, Milieus. Reconfiguring the Humanities in Postwar Europe«. Im Fokus ihrer Forschung stehen Formen des visuellen Denkens, Anthropologien des Rhythmus, Montagepraxis sowie Medien und Milieus in der Praxis der Institutionellen Psychotherapie. Gemeinsam mit Marie Rebecchi und Till Gathmann kuratierte sie die Ausstellung »Sergei Eisenstein: The Anthropology of Rhythm« bei Nomas Foundation in Rom.

Elena Vogman: Sinnliches Denken

Sergej Eisensteins Bildtheorie und Filmpraxis sind aufs Engste miteinander verbunden. Aus beidem entwickelte er ein Theoriewerk: ein immer wieder neu ­montiertes work in progress, dessen epistemische Obsession im physiologischen Denkpotential des Kinos selbst gründete. Auf der ­Suche nach den Ursprüngen eines solchen »sinnlichen Denkens« des ­Kinos ­legte Eisenstein die ­Kulturgeschichte neu aus. 1929 plante der ­Regisseur ein »Buch in Form einer Kugel«.
Elena Vogman stellt das Potential dieses »sinnlichen Denkens« in Eisensteins Methode (1932–1948) – so der Titel des jüngst auf Russisch erschienenen Spätwerks – in eine doppelte Perspektive. Im offenen Gefüge unterschiedlicher Disziplinen wie Anthropologie und Ästhetik, Psychoanalyse und Gestaltpsychologie, Paläontologie und Linguistik erscheint sein Werk als ein dynamisches Vehikel, das mittels Montage, emphatischer Kritik und in exzentrischer Überschreitung der eigenen Positionen operiert.
Entlang zahlreicher, zum Teil noch unpublizierter Archivdokumente macht der vorliegende Band die epistemischen und ästhetischen Fluchtlinien dieses Denkens lesbar.